Freier als Paul Preuß

14. September 2016

Das war sie tatsächlich - in 9 Stunden (die Pausen abgezogen) durch die Wand - was für eine Hammertour!

Hier die nackten klaren Fakten:
Bratschenkopf Südwand am Hochkönig, Freier als Paul Preuß, 28 Seillängen, 1.200 zu kletternde Meter, Schwierigkeit meist im 6ten Grad, ein Quergang 7 glatt, Korbi als Bergführer und Begleiter durch die Wand.

4:30 Uhr Start in Berchtesgaden, 6:00 Start am Parkplatz der Kopphütte (1307 m ü..). Zustieg über die Widdersbergalm zum Wandfuß. Das letzte grüne Stück werden wir von einer blöckenden Herde Schafe begleitet - die hatten wohl überlegt mitzukommen.

7:30 Uhr Einstieg in die Wand. Bereits nach 1:10 Stunden stehen wir an der für mich gedachten größten Hürde - 20 m Quergang, 7. Grad. Diese 5. Seillänge ist schneller vorbei, als ich gucken kann. Ich konnte sie quasi "durchnullern". Da es hier heute ganz klar um Zeit geht fallen alle anderen Lösungsansätze hintenrunter. Danach rollt es so dahin, Wasserrillenplatten zwischen 5. und 6. Grad. Ich höre ganz schnell auf die Seillängen mit zu zählen, es sind einfach zu viele.

Nach vier Stunden haben wir die Hälfte der Strecke geschafft und gönnen uns 10 min Pause im Schatten. Zwei Müsliriegel, etwas trinken und Schuhe aus! Überhaupt schlüpfen wir konsequent an jedem Stand aus den Kletterschuhen, zu groß ist die Furcht, in den letzten Seillängen die Füße nicht mehr zu spüren, aber bequeme Kletterlatschen kommen in diesem Gelände einfach nicht in Frage. Vor die Sonne hat sich nach dem Mittag glücklicherweise eine Wolke geschoben, es weht ein Wind - fast ein bissel kühl - also wird das Langarmshirt wieder drüber geworfen.

Die wirklich große Herausforderung ist allerdings der senkrecht stehende Ausstiegspfeiler. Ab der 24. Seillänge zieht die Schwierigkeit nochmal deutlich an 6-, 6+, 6+, 7-, 6+ - unübersichtlicher kompakter Kalk unten zusätzlich brüchig. Steigen und Schweben. Ich stehe gefühlt auf nichts, mit nichts in der Hand und mir ist es auch nicht mehr einerlei!

"Die Mitte ist durch!" rufe ich beim Sichern nach oben - Korbis Antwort: "Ich bin es auch!" Danach sage ich nur noch Zahlen an...

Noch einmal Aufraffen und wir stehen um 17:00 Uhr oben auf dem Gipfel! Großer Bratschenkopf 2857 m. Was für eine Tour - Ausdauerhammer. Wir stehen oben in der schon sehr tief stehenden Sonne und ich bin voller Glück! Das Matrashaus ist in der Ferne zu sehen. Der Rundumblick ist atemberaubend.

"Und nun? Was kommt als nächstes?" fragt Korbi tatsächlich! - Leere, tiefe, ruhige Leere in mir drinen. Ich habe noch keinen neuen Plan. Dieser Traum hier war so groß, so umfassend, dass ich gerade nur Glück und tiefe Befriedigung empfinden kann.

Unglaublich großes Glück!

17:30 Uhr machen wir uns an den langen Abstieg, über das Plateau, abwärts an der Torsäule vorbei bis zur Mitterfeldalm und dem Arthurhaus. Auf dem Weg bleibt uns genügend Zeit uns über mögliche nächste Ziele/ Wände auszutauschen. Es gibt noch soo viel, aber im Moment noch leuchtet keine Wand so sehr wie die Paul Preuß! Klar ist aber irgendwie - 28 Seillängen müssen es nicht unbedingt so schnell wieder sein. Aber nur 8 oder 9 sind zu kurz! 😉 Das Glück besteht darin, den ganzen Tag in solch einer großen einer Wand zu versinken.

Der Abstieg zieht sich steil und steinig dahin und die Füße tun soo weh, zwei Mal muss ich um einen kurzen Stopp bitten, Schuhe ausziehen, dann geht es wieder eine Weile. Ich ziehe kurz in Erwägung den vor uns gehenden Wanderern die Stöcke zu entreißen oder gegen die Stirnlampe zu tauschen. Es ist aber unsere Mitfahrgelegenheit vom Arthurhaus (1500m) zur Kopphütte und so nehme ich Abstand von diesem Plan. Tatsächlich - wer schneller läuft ist eher da - 20:00 Uhr sind wir zurück am Auto, an der Kopphütte - endlich die Schuhe aus!

22:30 Uhr zurück in Berchtesgaden - das war mal eben eine Tagestour! Selten hab ich mich so auf eine stundenlange Zugfahrt und die kommenden Bürotage gefreut, wie heute. Das wird ein Genuss!

Zurück
Zurück

Die Große Zinne