Alpines Klettern in den Loferer Steinbergen
Text: Kai Richter
Wenn man gern in den Alpen unterwegs ist und in der Heimat klettern geht, liegt der Wunsch nahe, auch in den Alpen einmal auf Gipfeln zu stehen, welche nicht über Normalwege, Klettersteige oder Seilbahnen erreichbar sind.
Da alpines Klettern schon etwas anderer Handgriffe und Ausrüstung bedarf als die heimischen Gipfel, wurde es Zeit, den eigenen Horizont etwas zu erweitern. Zufällig stieß ich im Dezember 2022 bei Planungen für das kommende Jahr im Tourenkalender der DAV Dresden Webseite auf einen Alpinkletterkurs in den Loferer Steinbergen, ca. 30 km westlich von Berchtesgaden, in den Österreicher Alpen. Das passte hervorragend zu einem weiteren Plan für diesen Sommer, der Überschreitung des Watzmanns.
Durch Gespräche mit anderen Kletterern in der Sektion ging der Kurs inzwischen auch die Runde und ich erfuhr von immer mehr Anmeldungen befreundeter Kletterer. Falk, mein Kletterkumpel aus Rostock, welcher auch Mitglied der Sektion Dresden ist. Gregory, Rabea, Stefan, so waren wir inzwischen schon fünf, die auch jetzt schon zusammen klettern gehen. Perfekt!
Die Zeit verging, die Materialliste wurde vervollständigt. Im Juni war dann der Termin zum Vorabkennenlernen angesetzt. Geplant war dafür eine Kletterhalle in Dresden.
Am Vorabend, genau zur 150-Jahre-DAV-Feierstunde in einem Dresdner Hotel wurde aufgrund des überraschend schönen Wetters der Ort dafür raus ins schöne Ostrov verlegt. Agnes, Sophie (die Trainerinnen) Falk, Gregory, Rabea, Peter und Stefan sowie Hergen und Johannes von der anderen hiesigen Sektion des DAV (SBB), trafen sich zum Materialcheck und Probeklettern an den Ecktürmen in Ostrov. Fazit: eine tolle Truppe! Nun galt es noch den Rucksack für die 6 Tagestour inklusive Kletterausrüstung auf das empfohlene Gewicht von ca. 10 kg zu packen. Ich scheiterte kläglich. Bei 15 kg gab ich auf und ergab mich der Tortour, dieses Gewichts 1160 hm hinauf zur Von-Schmidt-Zabierow-Hütte (dem Basislager des Alpinkletterkurses) schleppen zu müssen.
Am 27.07.2023 startetet wir zu dritt, ein Franzose, ein Fischkopp und ein Sachse, natürlich als Fahrgemeinschaft in Richtung Alpen. Nach einer Übernachtung in einem Wirtshaus in Lofer, folgte der Aufstieg. Drei Stunden entspannt auf schmalen Wegen bei herrlichem Wetter. Einer der Teilnehmer des Kurses, ab dann „Maschine“ genannt, erreichte die Hütte an diesem Tag in zwei Stunden. Was soll’s.
Nach und nach trafen alle Teilnehmer auf der Hütte ein. Das Highlight an diesem Abend war neben der herrlichen Aussicht von der Bank vor der Hütte, wohl dem einzigen Ort mit Handyempfang hier oben, das Abendessen auf der Hütte. Ein Vier-Gänge-Menü, welches sich vor keinem Restaurant unten im Tal verstecken musste. Mühsam hochgetragen oder per Helikopter hochgeflogen, denn Fahrwege zu dieser Hütte gibt es nicht.
Am ersten Kurstag ging’s gleich los an die alpine Felswand, dem „Hüttenstoa“. Nur 10 Minuten Zustieg. Direkt gegenüber der Hütte. Nach Übung des Aufbaus eines Standplatzes am Wandfuß, ging’s ans Klettern der ersten Routen. 2er und 3er Seillängen im 3. und 4. Schwierigkeitsgrad.
Mein erster Eindruck: „Steht man auf diesem Gestein gut!“
Der raue Kalk erlaubt im trockenen Zustand mehr als ich dem heimischen Gestein zutrauen würde. Durch das Klettern in Wechselführung kamen auch alle in den Genuss eines Vorstiegs. Nebenbei musste immer wieder das Wolkenschauspiel um die Berge und im Tal bewundert werden. Oben angekommen erfolgte der Abstieg über einen schmalen Pfad zurück zur Hütte.
Der zweite Tag startete sehr bewölkt. Das Tal versank im Nebel und es wehte ein kräftiger Wind. Ziel waren diesmal die sogenannten „Nasenrouten“ am etwa 30 Minuten entfernten Reifhorn. 120 m bzw. 135 m lange Routen in 3 Seillängen im 3. bzw. 4. Schwierigkeitsgrad. Dort angekommen, kam die Sonne endlich raus und uns erwartete herrliche Kletterei an Pfeilern und über strukturierte Platten. Der Standplatzbau, die Wechselführung und das Routenlesen waren wieder Themen an diesem Tag.
Am Ende wurde abgeseilt und es ging bei leichtem Regen zurück zur Hütte. Für den nächsten Tag war mein persönliches Highlight geplant. Eine Überschreitung des Kleinen Reifhorns und des Kreuzreifhorns über alpine Kletterrouten mit Gratkletterei und Gehgelände. Beim Zustieg verzogen sich die schneeweißen Wolken langsam und der Tag begann mit strahlendem Sonnenschein. Ich war wieder überrascht, wie schnell der Kalk nach jedem Regenschauer abtrocknete. Die Tour begann unweit der Routen vom Vortag, den Nasenrouten mit Mehrseillängen Richtung Gipfel des Kleinen Reifhorns. Nachdem die Kletterstellen geschafft waren, ging es weiter auf plattigem Gelände über Grasbänder und Kraxelstellen nach oben. Gegen Mittag erreichten wir den ersten Gipfel. Nun folgte ein ausgesetzter Grat zum südlichen Ende des Massivs. In einigen Gesichtern war das mulmige Gefühl zu sehen, aber alle meisterten diese Stelle hervorragend, schließlich hatten die Trainerinnen diese Stelle auch gut abgesichert. Danach galt es wieder abzuseilen, Richtung dem nächsten Ziel: Kreuzreifhorn. Ein kleiner Übertritt mit Seilgeländer und erneuter Anstieg am fixen Seil mit Prusik folgte. Kurz vorm Gipfel des Kreuzreifhorns warteten wieder Klettereien, gesichert am Seil (Seilraupe).
Auf diesem Gipfel gab es ein großes Gipfelkreuz und Aussicht auf die Größen der Berchtesgadener Alpen wie Großglockner, Watzmann, Hoher Göll, Hochkalter. Der Abstieg erfolgte dann über den Normalweg. Pünktlich zum Abendessen trafen wir wieder in der Hütte ein. Alle waren begeistert von diesem Tag, dieser starken Seilschaft und der souveränen Führung der zwei Trainerinnen Agnes und Sophie.
Der letzte Tag des Kurses begann mit Regen und endete mit viel Regen. Dazwischen Theorie zu den Themen Erste Hilfe am Berg, Tourenplanung, Sicherungsarten, Halb- und Mastwurf einhändig, Kaiserschmarrn und Kaspressknödelsuppe. Am Abend gab es zur Belohnung noch ein episches Naturschauspiel mit Wolken, Sonne und Regenbogen im Tal.
Am nächsten Morgen, dem Tag des Abstieges, beschlossen alle Teilnehmer noch einmal selbstständig an den Fels zu gehen. Das Wetter versprach beste Bedingungen für die 4er Seillängenrouten der „Krabbelstube“ unweit der Hütte. Während die Frühstarter Stephan und Gregory ihre Klettertour erfolgreich abschließen konnten, wurden wir Anderen mittendrin von einem Regenschauer erwischt. Was mich freute war allerdings, dass alle drei betroffenen Seilschaften selbstständig den Abbruch und das Abseilen beschlossen. Getreu dem Motto: „Die besten Bergsteiger sind nicht die, die den Gipfel erreichen, sondern die, die wieder heil Zuhause ankommen.“ Auch ein Ergebnis des Kurses: Vernunft und maximale Sicherheit. Genau mein Ding!
Nun ging’s wieder ins Tal. Für Gregory, Falk und mich mit dem nächsten Ziel Berchtesgaden. Der Watzmann wartete. Am Ende versank der Watzmann tagelang im Regen und es wurde nix aus unserer Überschreitung, aber der Watzmann wird noch lange stehen und die Gelegenheit wird kommen.
Danke an Agnes, Sophie und die Teilnehmer des Alpinkletterkurses.